Haushaltsrede 2021
19.05.2021 Meldungen FDP-Fraktion im Rat der Stadt Wesseling
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren der Verwaltung,
liebe Kolleginnen und Kollegen des Rates,
sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Presse,
sehr geehrte Wesselinger Bürgerinnen und Bürger,
zum letzten Haushalt konnte meine Vorgängerin hier im Rat noch berichten, dass es unserem Haushalt gut geht. Ich wünschte, dass ich in diesem Jahr dasselbe sagen könnte. Wir müssen leider feststellen, dass wir schwere Zeiten vor uns haben.
Das liegt aber nicht an der Kämmerin Frau Beloch, die uns den diesjährigen Haushalt vorgestellt und die Situation eindrücklich erläutert hat. Ihr und ihrem Team gebührt unser Dank für diese schwere Aufgabe. Sondern es liegt zum großen Teil an den Faktoren, die uns alle in den zurückliegenden Wochen und Monaten nur allzu geläufig sind.
Die COVID-19 Pandemie hat große Lücken in die Einnahmeseite gerissen. Die Folgen sind am Haushalt und auch den Prognosen deutlich zu sehen und das volle Ausmaß noch nicht vollständig absehbar. Trotzdem werden insbesondere in der heutigen Sitzung noch Anträge eingebracht, die hohe Ausgaben vorsehen, die eigentlich nicht erforderlich, also freiwillig, sind. Da zur Nachhaltigkeit nicht nur das Pflanzen von Bäumen sondern auch der verantwortungsvolle Umgang mit Steuergeldern gehört, sehen wir diese neuerlichen Anträge sehr kritisch.
Heute gilt es, den Haushalt für das Jahr 2021 zu beschließen.
Allgemeine Haushaltssituation
Die Zeiten des hohen Überschusses sind erst einmal vorbei. Zumindest haben sie einen sehr schweren Dämpfer erhalten. Die Gewerbesteuer bleibt aus. In erster Linie, weil die großen Betriebe der chemischen Industrie – von deren Erfolg unsere Stadt sehr abhängig ist – im Rahmen der weltweiten Krise ihre Gewinnprognosen zusammenstreichen. Aber leider auch, weil die vielen kleinen und mittleren Betriebe – die immer als Puffer gedient haben und mit denen wir uns in Zukunft mehr Unabhängigkeit von den großen Playern wünschen – durch die fortwährenden Einschränkungen und ungewissen Zukunftsaussichten hart getroffen wurden.
Noch profitieren wir ein wenig von den zurückliegenden guten Jahren. Aber ein weiteres 2020 werden wir uns nicht leisten können.
Die erneute Erweiterung der Fraktionszuwendungen lehnen wir ab. Zwar hat die Ratsmehrheit nun einen Vorschlag vorgelegt, der rechtlich nicht mehr zu beanstanden ist, aber die Korrektur zum faireren Ausgleich erfolgte leider nach oben und so weiter zulasten des Haushaltes. Wir hätten uns einen verantwortungsbewussteren Umgang mit den Steuergeldern gewünscht.
Mangelnde Transparenz durch Lockdown
Nie zuvor wurden die Haushaltsdebatten in einem Modus wie diesem geführt. In den vergangenen Wochen mussten wir den Haushalt statt wie gewohnt in Fachausschüssen in sogenannten interfraktionellen Abstimmungen in Videokonferenzen führen. Die Lösungen dafür waren unter Hochdruck geschaffen worden. Zeit zum Üben blieb für Vorsitzende und Teilnehmer kaum, viele sachkundige BürgerInnen und EinwohnerInnen hatten nicht die besten Voraussetzungen zur Teilnahme, und die Öffentlichkeit war leider komplett ausgeschlossen. Ein noch vorher von den Oppositionsparteien eingebrachter Antrag zum Streaming von Sitzungen hätte Abhilfe schaffen können, war aber von der Ratsmehrheit abgelehnt worden. So blieb häufig nicht die ausreichende Zeit sich ausführlich mit Änderungsanträgen zum Haushalt auseinanderzusetzen zu können, und in manchen Fällen konnten sich Experten aus den Fraktionen wegen technischen Problemen nicht einbringen. Die Öffentlichkeit konnte erst zum Hauptausschuss an den Abstimmungen teilhaben. Dort wurden die Anträge dann nicht mehr in der Tiefe diskutiert. In unseren Augen ein großer Verlust an Transparenz, den wir leider hinnehmen mussten, da die Alternative „öffentliche Sitzungen in Präsenz“ bei hohen Inzidenzwerten leider noch schlechter und nicht vertretbar war.
Digitalisierung
Mit dieser Legislaturperiode gibt es nun einen eigenen Ausschuss für Wirtschaft, Digitalisierung und Innovation. Ein guter Schritt, soll er doch Projekte zur Digitalisierung befördern. Wie schlecht es um die Digitalisierung steht, konnte man an vielen Stellen durch den Katalysator Corona erkennen. Amtsgeschäfte wurden durch die Abstandsregeln deutlich erschwert, weil Vorgänge, die einfach auch digital möglich wären, noch der persönlichen Vorsprache bedürfen. Kinder können wochenlang nicht in die Schule, und der Unterricht auf Distanz ist eher Glückssache. Davon sind dann leider besonders die Kinder betroffen, bei denen zuhause weniger unterstützt werden kann und die in der Folge leider häufig weit zurückbleiben. Ferner gibt es zahlreiche BürgerInnen, die gerne im Home Office arbeiten würden, um Ansteckungsherde zu vermeiden und den ÖPNV zu entlasten, es aber wegen schlechter Internetanbindung nicht zuverlässig können.
Es gibt aber auch Lichtblicke. Der begonnene Glasfaserausbau in der Innenstadt ist da ebenso zu nennen wie die Breitbandanbindung der Grundschulen. Diese Maßnahmen begrüßen wir ausdrücklich. Aber uns fehlt bei all diesen Maßnahmen ein klares Konzept mit einer Darstellung der erforderlichen Handlungsfelder und Beschreibung des Plans zur Verbesserung sowie einer klaren Priorisierung. Wir möchten die zur Verfügung stehenden Ressourcen bestmöglich einsetzen und nicht beliebig Geld und Arbeitszeit aufwenden, um die Projekte oder Maßnahmen derer voranzubringen, die gerade „am lautesten schreien“. Es soll vielmehr langfristig der effektivste und effizienteste Weg zum Ziel geplant werden.
Bildung
Die Digitalisierung unserer Schullandschaft bringt mich auch gleich zur Bildung. Während hier mit Förderungen nun mehr digitale Endgeräte für das Lehrpersonal und die SchülerInnen zur Verfügung gestellt werden können, mangelt es in manchen Fällen noch an der nötigen Unterstützung. Hier ist im Haushalt bzw. im Stellenplan nun vorgesorgt, und wir erhalten bald einen Verantwortlichen in der IT der Verwaltung, der sich gezielt um die Infrastruktur an den Schulen kümmert. Das kann ich nur begrüßen, ist es doch eine Forderung aus unserm Kommunalwahlprogramm.
Allerdings ist die Digitalisierung nur eine Herausforderung, der wir uns bei der Bildungslandschaft in Wesseling in den nächsten Jahren stellen müssen. Wie erst vor zwei Wochen veröffentlicht wurde, wird das Gymnasialgebäude am Schulzentrum nicht saniert werden können. Es muss zurückgebaut werden. Dies hat auch großen Einfluss auf die Räumlichkeiten für die neue Gesamtschule. Ein Neubau bietet die Chance, optimale räumliche Voraussetzungen für den Schulcampus zu schaffen. Die Planungen dafür sind aber aufwändig, die Bauzeit wird lang und die Umsetzung teuer sein. Es ist essenziell, dass diese Planung ausführlich erfolgt und nicht überstürzt wird. Wir haben große Zweifel, dass der vom letzten Rat auferlegte Zeitdruck bei der Gesamtschulgründung dieser notwendigen Sorgfalt nicht im Wege steht.
Kinderbetreuung
Zu Beginn des Jahres haben wir erfahren, wie schlecht es um die Situation der Kinderbetreuung bestellt ist, da ganze 24 Gruppen in Kindertageseinrichtungen fehlen. Schon heute. Das sind 4 Einrichtungen mit je sechs Gruppen. Der Weg, wie wir diese Lücke füllen wollen, ist klar und wird von der Politik aufmerksam begleitet. Aber auch diese neuen KiTas werden den städtischen Haushalt nicht zu knapp belasten.
Wirtschaftliche Folgen aus Corona
Wir können die zusätzlichen Ausgaben und auch die fehlenden Einnahmen aus der Pandemie rechnerisch aus den Bilanzen heraushalten bzw. speziell ausweisen. Die Gelder sind jedoch tatsächlich geflossen bzw. weniger eingenommen. Auch wenn sie für ein paar Jahre nicht so schlimm aussehen. Nun heißt es den Gürtel enger schnallen. Dafür zu sorgen, dass es kein wesentliches strukturelles Defizit gibt und zu hoffen, dass sich die Wirtschaft und somit die Gewerbesteuer nach der Krise schnell wieder erholt. Bis dahin müssen wir eine strikte Haushaltsdisziplin walten lassen und bei zusätzlichen Budgetwünschen immer hinterfragen, ob diese uns aus der Krise hinaushelfen. Langfristig sinnvolle Maßnahmen dürfen dabei jedoch nicht zu kurz kommen. So erachten wir Ausgaben für eine bessere Digitalisierung beispielsweise als sehr wichtig. Richtig gestaltet spart Digitalisierung nämlich auf lange Sicht Geld und Zeit und kann auf dem Weg zur Klimaneutralität helfen.
Personalsituation
Allgemein gilt es, die Personalsituation in der Verwaltung gut im Blick zu halten. Der FDP-Fraktion ist insbesondere im, für die Digitalisierung so wichtigen, Bereich der IT aufgefallen, dass absehbar innerhalb der nächsten Jahre einige VerwaltungsmitarbeiterInnen in den Ruhestand gehen werden. Gerade bei dem derzeit vorherrschenden Fachkräftemangel sollte rechtzeitig für adäquate NachfolgerInnen gesorgt werden. Wir empfehlen mit attraktiver Arbeitsplatz- und Vertragsgestaltung die Stellen am Markt schmackhaft zu machen.
Wir lehnen die Schaffung zusätzlicher politischer Posten ab. So waren wir z.B. klar gegen den dritten stellvertretenden Bürgermeister. Ausdrücklich gesagt sei, dass wir nicht die Person ablehnen, denn Personalentscheidungen stehen den Fraktionen mit Vorschlagrecht zu, sondern wir finden, dass der Posten bei der Aufgabenlage nicht wirklich gebraucht wird und den Haushalt nur zusätzlich belastet. Ähnlich sehen wir es auch mit nun im Stellenplan vorzusehenden Stelle für einen dritten Beigeordneten oder eine dritte Beigeordnete. Obwohl dieser in der Hauptsatzung vorgesehen ist, finden wir, dass die Besetzung der Stelle derzeit nicht nötig wäre.
Fazit
Der Haushalt in diesem Jahr ist kein einfacher. Die fetten Jahre sind vorbei oder haben zumindest einen harten Dämpfer erhalten. Gerade in Zeiten wie den unseren, sollten Entscheidungen von einer breiten Mehrheit getragen werden. Ich wünsche mir daher von den Mehrheitsfraktionen hier im Rat, auch auf die Argumente der Opposition einzugehen. Auch wir repräsentieren die Anliegen von Bürgerinnen und Bürgern dieser Stadt und glauben, dass wir besser durch schwierige Zeiten kommen, wenn eine möglichst breite Öffentlichkeit hinter den Maßnahmen steht, die wir in den kommenden Wochen und Monaten zu beschließen haben. Nie gab es mehr zu tun. Packen wir es gemeinsam an.
Abschließend muss ich kritisieren, dass zur finalen Sitzung der Beratung über den Haushalt noch kurzfristig Anträge mit hohen Beträgen eingereicht werden. Zuletzt allein ein Antrag über 35.000 € zur betrieblichen Sozialberatung. Über diese Anträge konnte nicht in den entsprechenden Fachausschüssen, nicht einmal in virtuellen interfraktionellen Gesprächen, beraten werden und der Status Quo sowie der darüber gehende Bedarf bleiben im Antrag offen.
Mein Name ist Max Zöller und ich muss für die FDP-Fraktion im Rat der Stadt Wesseling die Entscheidung über die Zustimmung über den Haushalt 2021 leider von den folgenden Beratungen über die kurzfristig eingereichten Anträge abhängig machen. Die Haushaltsberatungen waren lang genug, das hätte auch anders laufen können, hätte anders laufen müssen. Lieber hätte ich zum Ende eine klarere Aussage treffen wollen.
Hinweis:
Die FDP-Fraktion im Rat der Stadt Wesseling hat nach den abschließenden Haushaltsberatungen dem Haushalt 2021 nicht zugestimmt, da die zusätzlichen Anträge mit teils hohen Ansätzen trotz Gegenstimme der FDP mit Ratsmehrheit beschlossen wurden. Somit ergibt sich ein Haushalt, der ganz klar nicht die Handschrift der Sparsamkeit trägt, ganz im Gegensatz zum ausdrücklichen Appell der Kämmerin.